Neuartiger Vergiftungstyp - Warnung vor braunen Trichterlingen

 

Tjakko Stijve in Field Mycology Vol. 2 (3), July 2001

 

Wieder einmal wurden Pilzarten als giftig erkannt. In den lezten Jahren wurden Vergiftungen mit Amanita proxima, in den USA mit Amanita smithiana bekannt und Ramaria flavo-brunnescens wurde für den Tod brasilianischer Rinder verantwortlich gemacht. Im Herbst 2001 erschien die Meldung, daß Tricholoma equestre (Grünling) Rhabdomyolysis auslösen könne.
Erbrechen und Durchfall werden als Symptome nach einer Pilzmahlzeit regelmäßig von Ärzten entsprechend zugeordnet. Schwierig wird es bereits, wenn nach einer Pilzmahlzeit Krämpfe auftreten. Hier stellt der Arzt allein nicht unbedingt eine Verbindung zu Pilzen her und kann es durchaus zu einer nicht optimalen Behandlung des Patienten kommen. Im konkreten Fall wurde kein Pilzsachverständiger hinzugezogen. Nur durch Zufall bzw. mit etwas Hartnäckigkeit wurde am Arzt vorbei Amanita pantherina (Pantherpilz) im Pilzgericht identifiziert.

Tjakko Stijve berichtet in Field Mycology Vol. 2 (3), July 2001 über einen neuartigen Vergiftungstyp in Europa mit ganz ungewöhnlichen Symptomen. Clitocybe acromelalga (Bamboo Mushroom) ist aus Japan und Korea als Giftpilz bekannt. Der Verzehr dieser Art ruft über vier oder fünf Wochen anhaltende, starke Schmerzen in den Fingern und Zehen verbunden mit einer Rotfärbung als Hauptsymptome hervor. Sedative helfen nicht; lindernd wirkt fließendes, kaltes Wasser.

Stjive greift symptomatisch ähnliche Vergiftungsfälle aus Frankreich auf: Die Pilze wurden als Fuchsiger Trichterling, Lepista inversa (L. flaccida) gesammelt. Nach ungefähr 24 Stunden stellten sich die Symptome ein: Juckreiz an Finger und Zehen sowie Taubheit in Händen und Füßen, jedoch kein Erbrechen oder Durchfall. Bis zur vollständigen Erholung vergingen 14 Tage. Drei der Vergifteten erlitten heftige Schmerzen in ihren Extremitäten, die anschwollen und an eine Entzündung denken ließen. Die klassischen Schmerzmittel blieben wirkungslos. Leber- oder Nierenschädigungen wurden nicht festgestellt. Vergleichbare Fälle hatte es bereits 1979 gegeben, bei denen die Pilzart jedoch nicht identifiziert wurde.

Recherchen ergaben eine Clitocybe, ähnlich Lepista inversa, jedoch mit einem Geruch, der an Jasmin oder überreife Birnen erinnert, vergleichbar dem von Inocybe bongardii oder Tricholoma caligatum. Die Pilze wurden als Clitocybe amoenolens (Parfümierter Trichterling), eine marokkanische Art, identifiziert, die sporadisch auch in Frankreich und Norditalien festgestellt wurde. Die Art, im Herbar der Universität von Montpellier hinterlegt, wurde bereits 1975 von G. Malençon und R. Bertault beschrieben. Die Vergiftungen waren Anstoß für weitere Untersuchungen. Es wurde in Clitocybe amoenolens, wie 10 Jahre zuvor in Clitocybe acromelalga, ebenfalls Acromelsäure isoliert.

Lepista inversa, Lepista gilva (Wasserfleckiger Trichterling) oder Clitocybe gibba (Gelbbrauner Trichterling) werden in der Literatur unterschiedlich als eßbar, bedingt eßbar oder ungenießbar bewertet. Lepista inversa wird in Teilen der Schweiz zum Verkauf angeboten. Meist stammen die Pilze jedoch aus Frankreich. In den Leitsätzen 2003 für Pilze und Pilzerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches werden sie nicht als Speisepilze geführt.

Da ein Auftreten von Clitocybe amoenolens auch in Deutschland nicht von der Hand zu weisen ist, kann man Sammler nur den guten Rat geben, diese braunhütigen, trichterlingsähnlichen Pilze zu meiden. In Fundberatungen könnten Pilzsachverständige auf die Verwechslungsgefahr mit Clitocybe amoenolens hinweisen; Ärzte sollten bei den hier beschriebenen Syptomen durchaus an eine Pilzvergiftung denken; wegen der Konservierungsmöglichkeiten auch außerhalb der Sammelsaison.