Schwere Pilzvergiftung mit Galerina marginata

 

 

(Erstveröffentlichung in Zeitschrift für Mykologie, Bd. 65 (1)-112, Mai 1999, Beilage S. 21)

Ein Pilzsammler, ich nenne ihn hier Herr P., findet in einem Laubwald untermischt mit Fichten, Kiefern und Lärchen an einem Holzlagerplatz auf einer Fläche mit Rindenstücken ein größeres Vorkommen "Stockschwämmchen". Diese Art hatte der Pilzfreund vor mehreren Jahren bereits öfter gesammelt.

Am gleichen Abend gegen 20.00 Uhr verspeist er zwei Teller der selbst gesammelten, zubereiteten Pilze. Die Ehefrau nimmt nicht an der Mahlzeit teil. Am nächsten Morgen gegen 03.00 Uhr, also nach etwa 7 Stunden, treten starke, anhaltende Brechdurchfälle auf. Durch das Nachlassen der Brechdurchfälle etwas erholt, unterläßt Herr P. zunächst weitere Schritte. Ein Vergleich der restlichen, nicht verwerteten Pilze mit der Abbildung in einem Pilzbuch läßt den Sammler dann aber seinen Irrtum ahnen. Allerdings erst nachmittags gegen 15.40 Uhr ruft Herr P. in meiner Dienststelle an und schildert mir den Sachverhalt. Meine Telefonnummer hatte er über das Giftinformationszentrum-Nord, bei dem ich als Pilzsachverständiger registriert bin, erhalten. Ich rate ihm, sich sofort in das nächste Krankenhaus zu begeben, alle Pilzreste mitzunehmen und sie mir schnellstmöglich, veranlaßt durch das Krankenhaus, zur Identifikation überstellen zu lassen.

Herr P. begibt sich jedoch nicht in das Krankenhaus seiner Gemeinde, sonder fährt in ein etwa eine Autostunde entferntes Krankenhaus, bei dem er höheren Sachverstand bzw. bessere Behandlungsmöglichkeiten vermutet. Erst gegen 18.10 Uhr kommt ein Kontakt zwischen dem Krankenhaus und mir, nunmehr längst zu Hause in Warteposition, zustande. Die Pilzreste, neun rohe Fruchtkörper sowie ein Beutel mit etwa 500 g bereits zubereiteter, eingefrorener Pilze, werden von der Polizei gebracht.

Die makroskopische und mikroskopische Untersuchung der frischen Fruchtkörper und des Gefriergutes ergeben eindeutig: Galerina marginata. Da im Krankenhaus keine entsprechende Literatur vorhanden ist, sind meine Fachbücher kurze Zeit später mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs in das Krankenhaus. Zur Festigung der Diagnose und einer möglicherweise notwendigen Beweissicherung nehme ich weitere Stichproben und dokumentiere sie mikroskopisch-fotografisch.


Herr P. wird am nächsten Tag in ein anderes Krankenhaus verlegt, weil eine Leber-Transplantation in Betracht gezogen werden muß, die ihm letztlich jedoch erspart bleibt. Er verläßt nach 10 Tagen das Krankenhaus ohne bleibende Schäden. Die Erholungsphase dauert etwa vier Wochen.

Die Gefährlichkeit einer Vergiftung mit Knollenblätterpilzen (Amanita phalloides, A. verna, A. virosa) ist allgemein bekannt. Das auch in anderen Pilzarten die gleichen Gifte oder Gifte mit gleicher letaler Wirkung vorhanden sind, ist leider auch bei Ärzten häufig unbekannt. Galerina marginata (Gifthäubling) und nahe verwandte Arten sowie einige Schirmlingsarten (Lepiota spec.) müssen ebenfalls unter dem Phalloides-Syndrom eingeordnet werden. Ob auch die europäische Arten um Pholiotina filaris (nunmehr Conocybe) hier einzuordnen sind, ist noch ungeklärt. Über die Problematik "Stockschwämmchen - Gifthäublinge" berichtet Christoph Hahn im Tintling Heft 2/2001, 6. Jahrgang Juni 2001, S. 26 - 31 ausführlich.

Jede Pilzvergiftung verläuft anders. Daher interessieren mich auch Ihre Erfahrungen oder besondere Veröffentlichungen in Sachen Pilzvergiftungen und Giftpilze. Über den Button "Kontakt" erreichen Sie mich per Mail. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.