Syndrome - Symptome - Pilzarten
Bei Pilzvergiftungen stehe ich Ärzten und Krankenhäusern als Pilzsachverständiger nahezu ganzjährig 7 Tage in der Woche
24 Stunden täglich zur Verfügung. Die aktuellen Telefonnummern sowie meine Anschrift erfragen Sie bitte beim
Giftinformationszentrum-Nord Tel. 0551 19240.
Faustregel: Eine lange Latenzzeit (> 4 Stunden) deutet auf eine schwere Pilzvergiftung.
Der Umkehrschluss ist unzulässig, da es sich um eine Mischvergiftung (Giftpilze mit kurzer und langer Latenzzeit) handeln kann.
Bis zum Beweis des Gegenteils müssen Sie eine Knollenblätterpilzvergiftung in Betracht ziehen.
Phalloides-Syndrom
Latenzzeit: 8 - 12 (4 - 24) Stunden,
Symptome: Übelkeit, Bauchschmerzen, Bauchkoliken, Erbrechen, wässrige und blutige Durchfälle - als Folge Blutdruckabfall, Pulsanstieg, Schock, Exsikkose, Wadenkrämpfe - Veränderungen der blutchemischen Werte: Thromboplastinzeit, Quick-Wert, Transaminasen (SGOT, SGPT), Lactatdehydrogenase (LDH), Harnstoff, Kreatinin, Glucose, Serumbilirubin
Zweite, hepatorenale Phase: Druckempfindlichkeit der vergrößerten Leber, Gelbsucht, Magen- und Darmblutungen, Oligurie bis Anurie
Pilzarten: Amanita phalloides, A. phalloides var. alba, A. verna, A. virosa,
Galerina marginata, G. sulciceps, G. autumnalis, Lepiota helveola, L. brunneoincarnata,
L.
citrophylla, L. subincarnata, Pholiotina filaris? - Knollenblätterpilze,
Häublinge, Schirmlinge
Gift: Amanitine, Virotoxine, Phalloidine
In der Therapie eingesetzt: Legalon Sil der Firma Madaus
In der Diagnostik eingesetzt: Amanitin-ELISA (Enzyme Linked Immunosorbent Assay)
Orellanus-Syndrom
Latenzzeit: bis zu 20 Tage, nicht obligatorisch sind Brechdurchfälle
Syptome: Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, starker Durst, Lippen- u. Zungenbrennen, Polyurie, gelegentlich Erbrechen u. Durchfall, Schüttelfrost, Kältegefühl, Gelenk- u. Muskelschmerzen, Nierenschmerzen, verminderte Harnausscheidung, Oligurie, Anurie
Pilzarten: Cortinarius orellanus, C. speciosissimus (C. rubellus), C. splendens, C. gentilis?, vermutlich weitere Cortinarius-Arten, verdächtig sind insbesondere Arten mit den Farben orange, orange-braun, gelb, gelbgrün - Schleierlinge
Gift: Orellanin
Muscarin-Syndrom
Latenzzeit: 15 - 30 Minuten (bis 2 Stunden)
Symptome: Starke Schweißausbrüche, Brechdurchfall, enge Pupillen, Speichel- und Tränenfluß, Sehstörungen, Atemnot
Pilzarten: Inocybe patouillardii (I. erubescens), I. dulcamara, I. fastigiata (I. rimosa), I. geophylla, weitere Inocybe-Arten, Clitocybe phyllophila, C. candicans, C. dealbata, C. ericetorum, Mycena rosea, Mycena pura - Rißpilze, Trichterlinge, Helmlinge
Gift: Muscarin
Pantherina-Syndrom incl. Fliegenpilz-Syndrom
Latenzzeit: 30 Minuten bis 2 Stunden
Symptome: Schwindel,
Mattigkeit, Benommenheit, Gehstörung, Rauschzustand ähnl. Alkoholrausch,
Sprach-, Sehstörungen, Krampfzustände, motorische Unruhe, Erregung bis Toben,
Halluzinationen
gelegentlich auch Brechdurchfall, Schweißausbruch,
Pilzarten: Amanita pantherina, A. muscaria, A. regalis, A. gemmata - Pantherpilz, Fliegenpilz ...
Gift: Ibotensäure, sekundär Muscimol, Muscazon
Gyromitra-Syndrom
Latenzzeit: 6 - 8 (2 - 24) Stunden
Symptome: Mattigkeit, Kopf-, Bauchschmerzen, anhaltendes Erbrechen, gelegentlich Durchfälle, Leber- und Nierenschädigung, gelegentlich Hämolyse - daneben Unruhe, Erregungszustände, Pupillenerweiterung, Muskelzuckungen, Krämpfe
Pilzarten: Gyromitra esculenta - Giftlorchel/Frühjahrslorchel
Ob andere Gyromitra-, Hellvella-, Disciotis-Arten, Pseudorhizina sphaerospora, Sarcosphaera crassa (S. coronaria) unter diesem Syndrom einzuordnen sind, ist ungeklärt.
Gift: Gyromitrin
Paxillus-Syndrom
Latenzzeit: 1 - 2 Stunden (15 Minuten bis 4 Stunden)
Symptome: Erbrechen, Durchfall, Bauchkoliken, Kreislaufkollaps, Hämolyse als Folge der Antigen-Antikörper-Reaktion, Blut im Urin, Atemnot, Subikterus, Oligurie, Anurie
Pilzarten: Paxillus involutus s. l. - Kahler Krempling
Suillus luteus, Hygrophoropsis aurantiaca, Paxillus filamentosus (= P. rubicundulus)?, Gyromitra esculenta?
Gift: Antigen
Ein seltenes Syndrom, verursacht durch eine Antigen - Antikörper-Reaktion.
Der Patient hat seit längerem - vielleicht über Jahre hinweg - Kahle Kremplinge gegessen.
Coprinus-Syndrom
Latenzzeit: wenige Minuten bis 4 Stunden bis 24 Stunden
Symptome:
Herzklopfen, Rötung im Bereich Gesicht, Hals, Nacken, Brust, Atemnot, Schwindel,
gelegentlich Brechdurchfall, Hitzegefühl, metallischer Geschmack, prickelndes
oder Taubheitsgefühl in Armen und Beinen, Hautausschlag:
Durch Pilzverzehr in
Verbindung mit Alkoholgenuss während, vor oder bis zu 72 Stunden nach der
Mahlzeit
Pilzarten: Coprinus atramentarius - Grauer Faltentintling, selten C. comatus -
Schopftintling, Boletus luridus?, Clitocybe clavipes?, Tricholoma flavovirens?
Die Vergiftungserscheinungen erinnern an die Antabus-Reaktion beim Entzug von Alkoholkranken
Gift: Coprin, verhindert den Aldehydabbau
Psilocybin-Syndrom
Latenzzeit: 15 Minuten bis 2 Stunden
Symptome:
Rauschzustand, Halluzinationen, verändertes Raum-/Zeitgefühl, Glücksgefühl,
erotische Gefühle, Enthemmung, Depessionen, Angst, Gewalttätigkeit,
Kopfschmerzen, Ameisenkribbeln, Gleichgewichtsstörungen, Blutdruckabfall.
Pilzarten: Psilocybe semilanceata, P. bohemica, P. cubensis und weitere Arten aus den Gattungen Psilocybe, Panaeolus, Stropharia, Gymnopilus, Pluteus, Inocybe
Gift: Psilocybin, Psilocin, Baeocystin
Gastrointestinales Syndrom
Latenzzeit: 15 Minuten bis 2 (4) Stunden
Symptome: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Bauchkoliken,
Pilzarten: Agaricus xanthodermus, A. placomyces, Entoloma sinuatum, Hebeloma crustuliniforme, Omphalotus olearius, Tricholoma pardinum (T. pardalotum), Lactarius spec., Russula emetica u. a., Boletus satanas, Boletus calopus, Ramaria pallida, Scleroderma citrinum und weitere Arten dieser und anderer Gattungen
Gift: Verschiedene
Unechte Pilzvergiftungen
Latenzzeit: unterschiedlich, bis 4 Stunden
Symptome: Blähungen,
Übelkeit, Brechreiz, Erbrechen, Durchfälle, Bauchschmerzen,
Pilzarten, die unter bestimmten Bedingungen toxische Wirkung zeigen -
Rohgenuß, verdorbene Pilze, falsche Zubereitung, übermäßiger Genuß, individuelle
Faktoren wie z. B. Trehalasemangel
Pilzarten: Viele Pilzarten, auch solche, die ansonsten als essbar gelten.
Amanita vaginata, Amanita rubescens, Laetiporus sulphureus, Armillaria mellea s.l., verschiedene Milchlinge, und weitere Gattungen/Arten
Besondere oder neue Vergiftungsarten
Hapalopilus nidulans
Latenzzeit: 12, 13 Stunden
Symptome: Mattigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Sehstörungen, Koordinationsstörungen, Urin violett, Nieren- und Leberfunktion beeinträchtigt
Pilzart: Hapalopilus rutilans (H. nidulans) - Zimtfarbener Weichporling
Gift: Polyporsäure
Rhabdomyolyse durch Tricholoma equestre
Latenzzeit: 2 Tage
Symptome: Müdigkeit, Benommenheit, Appetitlosigkeit, verstärkte Schweißbildung. Nach mehreren, aufeinanderfolgenden Mahlzeiten.
Pilzart: Tricholoma equestre (T. flavovirens, T. auratum) - Grünling
Gift: ???
Todesfälle bekannt aus Frankreich
Acromelalgie-Syndrom
Latenzzeit: im konkreten Fall 24 Stunden
Symptome: Juckreiz an Finger und Zehen, Taubheit an Händen und Füßen, Starke Schmerzen und anschwellen der Extremitäten, Hautrötungen,
Pilzart: Clitocybe amoenolens - Parfümierter Trichterling
Vorkommen: Marokko, Frankreich, Italien. Die Pilzart erinnert an Lepista inversa/L. gilva Fuchsiger/Wasserfleckiger Trichterling mit Geruch an Jasmin oder überreife Birnen wie bei Inocybe bongardii
Gift: Acromelsäure
Die Vergiftung ist bekannt von Clitocybe acromelalga (Bamboo Mushroom) aus Japan und Korea
- keine Wirkung herkömmlicher Schmerzmittel, fließend kaltes Wasser
- kein Erbrechen oder Durchfall, keine Leber-/Nierenschädigung
- Dauer: Bei C. acromelalga zwischen 8 Tage bis 5 Monate, sekundäre Todesfälle
Verwendete und zitierte Literatur
BRESINSKY, A & BESL, H
(1985): Giftpilze - Ein Handbuch für Apotheker, Ärzte und Biologen. - Stuttgart.
295 S.
Flammer, R. &
HORAK, E. (1983): Giftpilze -
Pilzgifte. Erkenung u. Behandlung von Pilzvergiftungen. -
Stuttgart. 128 S.
FLAMMER, R. (1980): Differentialdiagnose der Pilzvergiftungen. - Stuttgart. 92 S.