Qualitätsbeurteilung von Pilzen
Kulturpilze und
Wildpilze
Pilze werden mittlerweile rund um das Jahr in den verschiedenen Formen
angeboten: Als Konserve in Dose oder Glas, als Trockenware, als
Nahrungsergänzungsmittel, als Frischpilze gezüchtet (Kultur) oder - in der
Saison - als gesammelte Wildpilze. Darauf, dass keine Giftpilze darunter sind,
muß sich der Verbraucher verlassen. In den Leitsätzen für Pilze und
Pilzerzeugnisse des Deutschen Lebensmittelbuches heißt es: Speisepilze werden
besonders sorgfältig darauf geprüft, daß sich nicht ungenießbare oder
gesundheitsschädliche Pilze unter ihnen befinden. Aber das Deutsche
Lebensmittelbuch beinhaltet keine Rechtsnormen. Es sind, wie der Name des
Untertitels sagt - Leitsätze, nach denen sich gerichtet werden sollte.
Abweichungen davon sind durchaus möglich. Ein möglicherweise entstandener
Schaden muß dann an anderen Rechtsnormen gemessen werden.
Wer aber kontrolliert die Arten so sorgfältig, die als Mischpilze in der
Konservendose landen? Gelten in anderen Ländern vielleicht Pilze als essbar, die
bei uns nicht zugelassen sind und werden als Konserven importiert oder von uns
selbst aus dem Urlaub mitgebracht? Und wer kontrolliert selbst gesammelte Pilze,
die auf dem Markt, in den Geschäften und in Gaststätten angeboten werden? Kein
Problem, wenn ein Maronenröhrling aus Versehen zwischen die Steinpilze rutscht.
Was aber ist z. B. mit den riesigen Mengen Pfifferlingen, die Jahr für Jahr auf
den Märkten und in den Geschäften angeboten werden? Pfifferlinge, wie Steinpilze
oder Maronenröhrlinge sind Mykorrhizapilze. Sie können nicht gezüchtet, sondern
müssen in der Natur gesammelt werden. Haben Sie schon einmal einen Pfifferling
zum Vergleich neben einem jungen Löwengelben Schleierling (Cortinarius orellanus)
oder dem Spitzgebucklten Schleierling (Cortinarius speciosissimus/rubellus)
gesehen. Wegen der Ähnlichkeit junger Fruchtkörper mit Pfifferlingen werden
diese Arten angehenden Pilzsachverständigen gern als Prüfungsaufgabe vorgelegt.
Beide Schleierlingsarten gelten als tödlich giftig. Kleinere Mengen führen zu
einer Schädigung der Nieren. Die Latenzzeit, also die Zeit vom Verzehr bis zum
Auftreten der Symtome, kann mehrere Tage bis zu zwei Wochen betragen.
Speisepilze sollen sich den Leitsätzen entsprechend durch besonders gute
sensorische Eigenschaften (Geruch, Geschmack, Konsistenz) auszeichnen.
"Unverarbeitete Pilze, die üblicherweise als frische Pilze bezeichnet werden,
sind nicht überreif, nicht alt, nicht übermäßig wässrig, frei von sichtbarem
Schimmel. Sie sind weitgehend von Erde, Blättern und Nadeln befreit. Sie sind
nicht durch Madenfraß in ihrer Konsistenz verändert oder sonst in ihrer
Brauchbarkeit erheblich vermindert."
Im Gegensatz zu Obst und Gemüse, bei dem der Verbraucher zu Recht wählerisch
jede einzelne Tomate oder Kohlkopf wendet, scheint er beim Einkauf von Pilzen
unkritisch das zu nehmen, was gerade im Regal liegt oder ihm der Verkäufer in
die Tüte schaufelt. Aber warum sollten Sie nicht auch von den Pilzen nur die
Besten nehmen, Sie geben schließlich auch Ihr gutes Geld dafür? Bei frischen
Champignons, Shii-take, Austernseitlingen, Steinpilzen oder Maronenröhrlingen
können Sie problemlos jeden einzelnen Fruchtkörper in die Hand nehmen und von
allen Seiten prüfen. Pfifferlinge sind in der Regel so klein, dass Sie ihre
Qualität auf einen Blick erfassen und dann gezielt zugreifen können. Der
Verkäufer möchte nicht, dass Sie die Fruchtkörper berühren? Auch gut, zeigen Sie
auf die einzelnen Fruchtkörper und lassen Sie den Verkäufer die Arbeit für Sie
tun. Der Einkauf dauert so ein wenig länger. Ihr Hintermann oder Hinterfrau beim
Einkauf mag wegen der Zeitverzögerung murren, insgeheim aber bewundert er Sie
wegen Ihres Selbstbewusstseins als Verbraucher und wird beim nächsten Einkauf
selbst so handeln. Zuhause werden Sie sich am guten Aussehen, am Geschmack und
dem Gefühl erfreuen, Ihren Lieben und sich selbst nur beste Qualität zu
servieren.
Frische Pilze altern je nach Art trotz gleicher Lagerbedingungen unterschiedlich
schnell. Champignons schneller als z. B. Austernseitlinge, Maronenröhrlinge
schneller als Pfifferlinge. Die Alterung kann man den Fruchtkörpern ansehen: Die
Farben, die Form und die Konsistenz verändern sich; typische, als angenehm
empfundene Gerüche lassen nach oder verändern sich so, dass Sie als unangenehm
wahrgenommen werden.
Das Aussehen
Champignon oder Egerling (Agaricus) ist im Handel ein Sammelbegriff für
verschiedene Arten. Die Lamellenfarbe junger Champignon-Fruchtkörper ist je nach
Art rosa, rosa-grau oder hellbraun. Mit fortschreitendem Alter des Fruchtkörpers
reifen auch die Sporen und färben die Lamellen schokoladenbraun bis
schwarzbraun. Auch der Stielanschnitt gibt Hinweise. Das ursprünglich weißliche
Fleisch verfärbt sich bräunlich und erscheint faserig. Die Oberfläche der Hüte
von frischen Champignons, Austernseitlingen, Shii-take, Steinpilzen und
Pfifferlingen ist trocken-matt. Glanz, feucht-fettiges oder glitschiges Aussehen
bzw. Anfühlen dieser Arten lässt auf den beginnenden Zersetzungsprozess
schließen. Gerade anhand der im Geschäft oder auf dem Markt in Kisten
ausgelegten Pfifferlinge lassen sich die fortschreitenden Alterungs- bzw.
Zersetzungsstadien gut beobachten. Ganz frische Pfifferlinge duften nach
fruchtig frisch nach Aprikose. Mit zunehmender Lagerzeit schrumpfen die
Fruchtkörper, die leuchtende gelbe Farbe wechselt in ein stumpfes Ockergelb.
Spätestens wenn sich Hutrand, Stiel oder Lamellen auch nur stellenweise braun
und glasig verfärben, sollten Sie die Fruchtkörper einzeln aussuchen oder Ihren
Speiseplan ändern. Vollends verdorbene Pfifferlinge können Sie ohne Kraftaufwand
zwischen Daumen und Zeigefinger zu Matsch zerreiben.
Maronenröhrlinge gehören zur Gattung der Filzröhrlinge (Xerocomus).
Filzröhrlinge haben trocken und frisch eine feinsamtige Huthaut. Aber gerade der
Maronenröhrling tritt in zwei Formen auf. Die eine entspricht der vorstehend
beschriebenen Erscheinung, die andere Form stellt sich mit einer glatten, leicht
feucht-fettigen Huthaut dar. Druck oder Reibung verfärben die Poren der Röhren
des Maronenröhrlings blaugrün. Das ist weder ein Zeichen von Ungenießbarkeit
noch ein Qualitätsmerkmal. Wenn sich jedoch Hut oder Röhren leicht
zusammendrücken lassen ohne die vorherige Form wieder einzunehmen und dann
matschig aussehen, sollten Sie die Pilze
genau prüfen.
Maronenröhrlinge
Xerocomus badius
Pilze in sehr bedenklicher, teilweise gesundheitsgefährdender Qualität.
Fruchtkörper stark überaltert, völlig ausgetrocknet, ohne jegliche Elastizität, teilweise in Verwesung übergegangen; gekauft 2002 in einem Geschäft der Braunschweiger Innenstadt.
Schimmelpilze, Bakterien
Schimmelpilze kennen wohl die meisten. Wenn nicht, machen Sie ein Experiment.
Lassen Sie Brot, Milch, Wurst einfach ungekühlt mehrere Tage liegen. Sie finden
nach einiger Zeit grüne, gelbe, weiße oder rosa und teilweise leicht abwischbare
Rasen und Verfärbungen auf ihren Lebensmitteln - Schimmelpilze oder Bakterien.
Haben Fruchtkörper also solche Verfärbungen, die nichts mit den für den Pilz
charakteristischen Farben zu tun hat, verzichten Sie lieber. Auffällig an
Röhrlingen ist auch der Goldschimmel; ein Ascomycet, der erst weiß, später in
leuchtendem Gelb oft vom Fuß oder an den Röhren beginnend, Maronenröhrlingen und
andere Röhrenpilze zersetzt. Die Stoffwechselprodukte dieser Organismen sind oft
toxisch und nicht mit dem bewusst herbeigeführten Schimmel auf oder in Käse
vergleichbar.
Maden
Pilze müssen nach dem Deutschen Lebensmittelgesetz weitgehend frei von Maden
sein. Das betrifft in der Praxis hauptsächlich wildwachsende Arten. Pilzsammler
wissen, dass vollkommen madenfreie Fruchtkörper einerseits nicht so häufig sind,
andererseits ein geringer Befall nur ein kleines Problem darstellt. Der Pilz
wird durchgeschnitten und kleinere, durch Fraßgänge gekennzeichnete Stücke
entfernt. Ärgerlich nur, wenn der ganze Pilz vermadet ist. Die verschiedenen
Arten werden unterschiedlich intensiv befallen. An Maronenröhrlingen oder
Steinpilzen sind Maden bzw. deren Fraßgänge häufiger zu beobachten als z. B. an
Pfifferlingen. Wählen Sie also beim Kauf zumindest bei Steinpilzen,
Maronenröhrlingen und anderen, ebenso großen Arten die von Ihnen bereits gut
befundenen Pilze aus und lassen Sie die einzelnen Fruchtkörper durchschneiden.
Und von einem madenfreien Pilz können Sie natürlich nicht auf das gesamte
Sortiment schließen. Bei Pfifferlingen kann man solche Prüfung allerdings kaum
verlangen.
Pilze unter Folie
Pilze werden gelegentlich auch als Artengemisch in Schalen unter Folie
angeboten. Jeder Sammler weiß, dass Pilze am besten im luftigen Korb und nicht
in einer Plastiktüte gesammelt werden. Speisepilze bestehen zu etwa 90 Prozent
aus Wasser. Mit dem Verdunsten des Wassers schrumpfen die Fruchtkörper und
verlieren ihre Festigkeit. Das kann man sehen und fühlen. Von innen beschlagene
Folie oder Wassertröpfchen auf der Innenseite deuten auf Wasserverlust der Pilze
hin. Das feuchte Kleinklima eventuell noch verbunden mit langer Lagerung bei
hohen Temperaturen bietet einen idealen Nährboden für Schimmelpilze und
Bakterien. Achten Sie ganz besonders auf die hier beschriebenen Anzeichen von
Überalterung oder gar Zersetzung sowie auf Lagerzeiten und Lagerbedingungen.
Fazit
Ich finde es schon verwunderlich, daß in einem Land, in dem die Länge der
Kälberstricke oder die Größe von Traktorscheiben oder Kondomen geregelt ist, der
Umgang mit einer derart empfindlichen Handelsware gerade einmal in den
Grundzügen festgelegt ist. Das Sammel- oder Erntedatum ebenso wie eine genaue
Herkunftsangabe - Staat/Bundesland/Region/Produzent - wären für den Verbraucher
sicherlich aussagekräftige Indizien für die Qualitätsbeurteilung und Hilfe bei
der Kaufentscheidung. Auch werden immer wieder Arten, die gem.
Bundesartenschutzverordnung vom gewerblichen Sammeln und Handel ausgenommen
sind, vermarktet - Ausnahmeerteilung?. Ebenso werden Arten angeboten, die eben
nicht in den Leitsätzen des Deutschen Lebensmittelbuches aufgeführt sind -
genießbar oder ... ?. Je nachdem also, ob es sich um Wild- oder Zuchtpilze
handelt, muß der Sammler dem Verkäufer bekannt sein bzw. sich der Weg der Pilze
nachvollziehen lassen. Und da Vorschriften nur so viel taugen, wie ihre
Einhaltung kontrolliert wird, sollten Markt- und Lebensmittelkontrolleure für
das Thema "Pilze" sensibilisiert und geschult werden. Der Käufer und Verbraucher
bringt Vertrauen beim Einkauf mit - aber mit was geht er nach Hause?
- Harry Andersson -